Gemeinde Rimbach

Seitenbereiche

Logo der Gemeinde Rimbach
| |

Seiteninhalt

Kriegsende 1945

Kriegsende 1945

Vorbemerkung

Das Ende des Zweiten Weltkriegs und der Nazi-Herrschaft jährt sich 2020 zum 75sten Mal. In Rimbach endete die NS-Zeit mit dem Einmarsch US-amerikanischer Truppen bereits am 28. März 1945 und damit einige Wochen vor der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945.

Dieser Artikel will in vier Teilen die allgemeine, kirchliche und schulische Situation in Rimbach in den Jahren 1944 und 1945 in den Blick nehmen.

Der überarbeitete Bericht erschien zunächst im monatlich erscheinenden „Gemeindegruß“ der Evangelischen Kirchengemeinde Rimbach.

Ohne Karl-Ludwig Schmitt, dem langjährigen Betreuer der Archive der Gemeinde Rimbach und unserer Kirchengemeinde, wäre dieser Artikel nicht möglich gewesen. Karl-Ludwig Schmitt hat mir dankenswerter Weise grundlegende Quellen und wichtiges Archivmaterial zugänglich gemacht und war mir ein sachkundiger, interessanter Gesprächspartner. Ihm gilt mein herzlicher Dank.

1. Teil: Vordringen amerikanischer Truppen bis zum 28. März 1945

Nach der Landung der alliierten Truppen in der Normandie am 6. Juni 1944 und der Rückeroberung Frankreichs gelangten die Alliierten in neun Monaten bis zum Rhein.

Am 26. März überquerten US-Soldaten der 7. US-Armee den Rhein bei Worms und rückten von dort noch am selben Tage Richtung Odenwald vor.
Vom 27. März an gelangten US-Truppen von Heppenheim, Laudenbach und Hemsbach, nicht jedoch von Weinheim, über die erste Gebirgskette ins Weschnitztal. Gab es Widerstand, führte das häufig auch zu tragischen Opfern in der Zivilbevölkerung.

Bereits am selben Tag (27.3.) erreichte ein Spähtrupp der US-Armee Rimbach. Vom Kreiswald über den „Schenkenbuckel“ entlang der Bismarckstraße drang er bis zur Staatsstraße, der damaligen „Adolf-Hitler-Straße“, vor. Das Vorauskommando stieß auf keinerlei Widerstand und zog sich schnell wieder zurück. Werner Rauch und einige andere Jungen hatten sich im Garten der alten Apotheke versteckt und den Vorstoß beobachtet. Von Westen kommend hatten sich fast alle deutschen Soldaten bereits ungeordnet gen Osten zurückgezogen.

„Obwohl wir schon seit Tagen verstärkte Fliegertätigkeit des Feindes (deutsche Flieger waren kaum noch zu sehen) und entfernten Geschützdonner vernahmen, glaubten wir nicht, dass schon an diesem Mittwoch, 28. 3., in der Woche vor Ostern 1945 unsere Heimat besetzt würde.“ Von der Juhöhe kommend besetzten US-Truppen am 28. März, dem Mittwoch vor Ostern, bereits gegen 10 Uhr morgens mit Panzern, Panzerwagen und Jeeps Albersbach. (s. Erinnerungen an 1945, Martha Fritz, vh. Schmitt, geb. 1926,  in: Festbuch 1200 Jahre Albersbach, Lauten-Weschnitz, Mitlechtern, 2005, S. 102 f.)

„Noch nie zuvor hatte ich einen Farbigen, einen Panzer oder eine Kanone gesehen. Nun kamen vom Kreiswald die fremden Soldaten …  ins Dorf [Albersbach]. Die Kampftruppen zogen weiter … “. (s. Walter Rothermel, geb. 1937, in Festbuch, S.104) Schnell rückten sie weiter nach Rimbach vor.Einige Wehrmachtssoldaten leisteten in den Wiesen des Albersbachs nahe dem vormaligen Bauernhof „Steinertswiese“ (Nikolaus Brecht, „Zimmerlappen“) Widerstand und schossen auf die vorrückenden US-Soldaten. Bei dem Feuergefecht wurden zwei deutsche Soldaten verletzt und einer getötet, Grenadier Erich Dillgart aus Neunkirchen im Saarland. Er wurde auf dem Rimbacher Friedhof beigesetzt. 74 Jahre lang wurde sein Grab von Anna Spilger sowie Ursula und Artur Sattler gepflegt, wie mir dieser mitteilte. Ursula und Artur Sattler wurden für dieses Engagement mit dem Ehrenamtspreis der Gemeinde Rimbach geehrt. Erich Dillgarts Grab befindet sich noch heute als einziges Kriegsgrab auf dem Rimbacher Friedhof. Er war der letzte Kriegstote auf Rimbacher Gemarkung.

Nicht vergessen werden sollten allerdings auch drei auf dem Friedhof in Mitlechtern beigesetzte Kriegstote. Diese kamen bei einem US-amerikanischen Tieffliegerangriff am 22. März 1945 in Mitlechtern ums Leben, wie mir Günther Gräf in einem Gaspräch auf dem Mitlechtener Friedhof mitteilte. Es sind dies die Soldaten Koguzinski (Vorname unbekannt) und Alfred Wagner sowie das sechsjährige Mädchen Elfriede Rettig, das sich zufällig zum Spielen auf der Straße befand. Die Kriegsgräber werden heute noch gepflegt.

Sechs Tage später marschierten US-Truppen in das Dorf Rimbach ein, in dem weiße Bettlaken als Zeichen der Kapitulation und des Verzichts auf Gegenwehr herausgehängt waren. Deshalb gab es beim Einmarsch Gott sei Dank keine weiteren Kampfhandlungen und Opfer. Im beschlagnahmten Gasthaus „Zum Roß“, dem heutigen Volksbankgebäude, residierte die Kommandantur. Im Obergeschoss gab es ein Offizierscasino.

Neben den allgemeinen, bekannten Maßnahmen der Besatzung wie Ausgangsbeschränkungen, Beschlagnahmungen und Verhaftungen erfolgte die Einsetzung von Ludwig Spilger als neuem Bürgermeister Rimbachs durch die Amerikaner.

In der Festschrift „100 Jahre SPD Rimbach“ (Hrsg.: SPD Ortsverein Rimbach, 2010) wird diese Zeit im Einzelnen beschrieben. Neue Konfliktlinien zwischen den politischen Kräften in Rimbach hatten zur Folge, dass selbst „viele Gegner des Nationalsozialismus … jene Zeit in düsteren Farben [schildern]“(S. 27 f.).

Mit dem Spitzenkandidaten Adam Schmitt entfiel auf die Liste der SPD bei den Kommunalwahlen am 27.01.1946 die eindeutige Mehrheit 71,9% der Stimmen. Neben der SPD hatte nur noch die KPD kandidiert. Adam Schmitt wurde Bürgermeister und blieb dies  bis 1971. Er ist u. a. Ehrenbürger von Rimbach. Nach ihm wurde der Sitzungsaal im Rimbacher Rathaus benannt.

Paul Kötter
27.04.2020

2. Teil: Kriegsende und kriegsbedingte Schäden an Gebäuden

In Rimbach hielten sich die durch Luftangriffe verursachten kriegsbedingten Schäden an Gebäuden glücklicherweise in Grenzen und waren, im Gegensatz zu anderen Gemeinden im Kreis Bergstraße, eher moderat. Dieser ursprünglich für den „Gemeindegruß“ der Evangelischen Kirchengemeinde verfasste Artikel nimmt nicht nur, aber vor allem die kriegsbedingten Zerstörungen an den kirchlichen Gebäuden näher in den Blick.

Bis auf ein Scharmützel zwischen Albersbach und Rimbach, bei dem ein deutscher Soldat (Erich Dillgart) erschossen wurde, gab es beim Einmarsch der US-Soldaten in Rimbach keine Kampfhandlungen. Die sich vom Rhein zurückziehenden Wehrmachtseinheiten hatten sich vor dem Eintreffen der Amerikaner bereits ungeordnet Richtung Osten abgesetzt. Im Unterschied zu Rimbach gab es z. B. in  den Orten an der Bergstraße und in Wald-Michelbach, das von Wehrmachtsverbänden verteidigt wurde, größere Gebäudeschäden. Die Beschießung des Ortes aus Richtung der Kreidacher Höhe und weitere Kampfhandlungen bei der Einnahme Wald-Michelbachs durch die Amerikaner kosteten darüber hinaus noch 23 Menschen das Leben.

Das erste Foto aus dem Jahre 1943 zeigt den von Kriegsschäden verschonten Rimbacher Marktplatz, damals Horst-Wessel-Platz, mit dem alten Rathaus (1714) und dem offenen Bach so, wie dieser auch noch bei Kriegsende war. Von 1943 bis zum Kriegsende vertrat Beigeordneter Adam Dörr den erkrankten und 1944 verstorbenen Bürgermeister Peter Treusch. Ludwig Spilger wurde dann von den Amerikanern als Bürgermeister eingesetzt und amtierte so lange, bis er 1946 durch Adam Schmitt (SPD) als gewählten Bürgermeister abgelöst wurde. Mit dem Bau des Dorfgemeinschaftshauses und der Verdolung des Dorfbaches (Waldbach) im Jahre 1956 unter Bürgermeister Adam Schmitt veränderte sich das Aussehen des Marktplatzes, ehemals Zimmerplatz oder Dalles genannt, grundlegend.

Grundlage für die Betrachtung der kriegsbedingten Schäden an kirchlichen Gebäuden ist die Pfarrchronik der Evangelischen Pfarrei Rimbach. Nachdem Pfarrer Wilhelm (Willi) Eugen Hörnle im August 1939, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, zur Luftwaffe eingezogen worden war, beauftragte das Landeskirchenamt Pfarrfrau Ida Hörnle (zweites Foto) mit der Versorgung der Pfarrei. Ihr oblag damit auch die Führung der Pfarrchronik für die Kriegsjahre 1939 bis 1945, der wichtigsten Quelle für diese Zeit. Zum Rimbacher Kirchspiel gehörte damals auch Mörlenbach. Durch die Erstellung von Ariernachweisen und den Zuzug von Ausgebombten ab 1943 erhöhte sich die Verwaltungsarbeit deutlich. Die Einwohnerzahl der Kerngemeinde Rimbach stieg von 2129 Einwohnern im Jahre 1939 auf 2998 Einwohner (2347 evangelische, 603 katholische und 48 sonstige) im Jahre 1945. Einwohner jüdischen Glaubens gab es nicht mehr (Rimbach im Odenwald, bearbeitet von Karl-Ludwig Schmitt, S. 219). Die seelsorgerische Vertretung nahm in dieser Zeit der Vakanz Pfarrer Emil Schmidt aus Fürth wahr, der gleichzeitig auch noch die Pfarrei Hammelbach zu betreuen hatte.

Am 19. Oktober 1944 erfolgte ein US-amerikanischer Bombenangriff auf Rimbach. Bei diesem Angriff, so die Pfarrchronik, schlug eine große Bombe zwischen Pfarrhaus und Kirche in den Garten ein. Die Dächer des Gemeindehauses und der Kirche wurden dabei schwer beschädigt. „Auf diese Weise wurde die Kirche Rimbachs von den Wappenfenstern befreit, von denen 1 Fenster auch das konstruierte Wappen Hitlers zeigte“ (Pfarrchronik, Kriegsjahre 1939 – 1945, S. 479, nach Karl-Ludwig Schmitt). Brandbomben setzten zusätzlich die Dächer des Pfarrhauses und des Kirchturms in Brand. Der Brand wurde durch das tatkräftige Eingreifen der Nachbarschaft eingedämmt.

Darüber hinaus wurden bei diesem Luftangriff weitere Anwesen in den Nachbarstraßen sowie das Kino „Lichtspielhaus Edelweiß“ in der heutigen Rathausstraße, damals „Straße der SA“, stark beschädigt (Pfarrchronik, S. 479). 1944 wurden zudem das südwestliche Kirchendach und die Orgelempore durch einen Bombentreffer beschädigt. Der Kirchturm war übrigens kein Standort eines Maschinengewehrs zur Fliegerabwehr, wie gerüchteweise zu hören ist. Die zerstörten Dächer konnten zunächst nur notdürftig repariert werden.

Von da an gab es „Tag um Tag Fliegeralarm“. Jagdbomber richteten wiederholt Schäden an, so die Pfarrchronik (S. 479). Ein alliierter Luftangriff am 19.3.1945 zielte vor allem auf die etwa zehn am Rimbacher Bahnhof auf einem Nebengleis abgestellten, ausrangierten Lokomotiven. „Eine Sprengbombe riß einen riesigen Krater zwischen Stationsgebäude und Gasthaus ‚Zum Anker‘ auf (Anlage vor dem Bahnhof - drittes Foto), weitere Treffer (Minen) landeten in der Lagerhalle des Gasthauses ‚Anker‘ und zerstörten dieses Nebengebäude völlig. Gasthaus und Bahnhof wiesen schwerste Beschädigungen auf, auch die umliegenden Häuser wurden stark in Mitleidenschaft gezogen. Zwei Tote waren zu beklagen: der 13jährige Michael Blatt und ein kleines Mädchen – Lieselotte Bangert, geb. 1941 -, das auf dem Weg ins Krankenhaus bereits in Mörlenbach verstarb“ (Karl-Ludwig Schmitt, Erinnerungen an Dr. med. Heinrich Ungeheuer, in: Festschrift Pfingst-Markt 1989, Rimbach/Odw., 1989, S. 77 – 83, S. 81 f.). Viele Verschüttete und andere Verletzte betreuten der Arzt Dr. Ungeheuer und die Rotkreuzhelferin Barbara Altendorf in unermüdlichem Einsatz vor Ort (Karl-Ludwig Schmitt, Erinnerungen, S. 82).

Nach der Rückkehr Pfarrer Hörnles aus der Gefangenschaft hatten ehemalige Mitglieder der NSDAP auf Anordnung der Gemeinde resp. der Amerikaner die Reparaturen an der Kirche und am Gemeindehaus durchzuführen. 1946 wurden innerhalb eines Vierteljahres das Kirchendach und der Kirchturm neu eingedeckt.

Zu den Kirchenfenstern

Unter Federführung von Pfarrer Walther Anthes, Pfarrer in Rimbach 1929 – 1935, NSDAP-Mitglied und Kreispfarrer der Deutschen Christen, wurde 1934 die Kirche renoviert. Es gab eine Außenrenovierung, neue Treppen für die Empore und einen Windfang im Turm. Die alten Eisenfenster wurden durch Holzfenster ersetzt. Acht Wappenfenster wurden in die neu verglasten Fenster eingebaut.

Das vierte Foto der Konfirmanden des Jahres 1940 mit Pfarrer Emil Schmidt aus Fürth, aufgenommen am 25. März 1940 vor dem Südportal der Evangelischen Kirche, zeigt auch zwei Fenster mit je einem Wappen aus der Zeit vor dem Kriegsende 1945. Die von außen nur undeutlich zu erkennenden Wappenschilde werden bekrönt von einem Helm mit Helmzier. Details sind nur bei genauer Betrachtung und Analyse erkennbar.

Das rechte Wappen zeigt im Schild die Lutherrose, in der Helmzier ist sehr wahrscheinlich Gott Vater mit einem Zepter als Zeichen seiner Herrschaft und einem Heiligenschein als Zeichen seiner Göttlichkeit dargestellt.

Im linken Fenster befindet sich ein von einem Adler gekröntes Wappen. Es ist der (vom Kircheninnern) nach links blickende Reichsadler des Dritten Reiches mit einem Hakenkreuz im Eichenlaubkranz in seinen Fängen. Deshalb handelt es sich hier um das fiktive, konstruierte Wappen Adolf Hitlers als „Führer und Reichskanzler“. Hitler selbst hatte kein Wappen. Der dreiteilige Wappenschild ist aufgrund dieses Fotos nicht genau bestimmbar. Der untere Bereich könnte eine Eiche darstellen, die im NS-Staat als Symbol für Treue, Standfestigkeit, nationale Einheit und die „neue Zeit“ stand. Viele Dörfer und Städte pflanzten in der NS-Zeit „Hitler-Eichen“.

In den verbleibenden sechs Fenstern fanden sich Wappen von folgenden Personen:

  • Graf zu Erbach, vermutlich: Graf Eberhard I., vormals: Schenk Eberhard XIII., 1475 - 1539, seit 1532 Graf, duldete Reformation;
  • Gräfin zu Erbach, vermutlich: Maria Gräfin von Wertheim, 1485 - 1553, Heirat 1503,  Erbin der halben Herrschaft Breuberg, Tochter des Grafen Michael II. von Wertheim;
  • Philipp der Großmütige, Philipp I. von Hessen, 1504 - 1567, führte Reformation in Hessen ein;
  • Gustav Adolf, 1594 – 1632, König von Schweden, „Retter des Protestantismus“ im 30jährigen Krieg;
  • Otto von  Bismarck, 1815 – 1898, Protestant, erster Reichskanzler des Deutschen Reiches;
  • Paul von Hindenburg, 1847 – 1934, Protestant, Generalfeldmarschall, Reichspräsident, ernannte Adolf Hitler zum Reichskanzler.

Die durch die Bombe zerstörten Fensterscheiben wurden nach dem Krieg beim Einbau neuer Holzfenster durch eine Klarverglasung ersetzt. Die heutigen Kirchenfenster, deren Einbau nur durch die große Spendenbereitschaft vieler Rimbacher möglich war, erfreuen mit der künstlerisch gestalteten Bleiverglasung innen die Besucher der Kirche seit 1989.

 

Paul Kötter
27.05.2020

3. Teil: Dorf und Kirchengemeinde

Leben im Dorf vor und nach dem 28. März 1945

1945 waren die meisten Männer im Alter von 18 bis 45, ab Oktober 1944 auch von 16 bis 60 Jahren, noch im Krieg, mussten Kriegsdienste leisten oder waren in Gefangenschaft. Diese Männer fehlten nicht nur in den Familien, sondern auch im Dorf, im Berufsleben, in den örtlichen Vereinen und in der Kirchengemeinde. Frauen und bis zum Kriegsende auch Kriegsgefangene hatten deren Arbeit mit zu übernehmen. Die Landwirtschaft im Haupt- oder Nebenerwerb oder zumindest ein Garten mit teilweiser Selbstversorgung prägten noch stark das dörfliche Leben. In Rimbach, wie überall in Deutschland im Krieg und in der Nachkriegszeit, waren bis 1950 für den Einkauf Bezugsscheine oder Lebensmittelmarken erforderlich, und bestimmte Nahrungsmittel waren insbesondere im extrem kalten Hungerwinter 1946/47 knapp oder fehlten. Gemessen an heutigen Maßstäben lebten die Menschen in der Nachkriegszeit unter ärmlichen Bedingungen.

Politisch gab es am Kriegsende auch in Rimbach einen radikalen Wechsel. Ebenso wie ihre Unterorganisationen wurde die bisher die Macht ausübende NSDAP verboten. NS-Belastete wurden aus dem öffentlichen Dienst entfernt, Straftaten geahndet. Im Januar 1946 fanden in Rimbach wieder die ersten freien Kommunalwahlen statt, zu denen lediglich die SPD und KPD mit eigenen Listen antraten. Die SPD gewann die Wahl mit 71,93% der Stimmen.

Schon Anfang März, vor der Besetzung Rimbachs durch die Amerikaner, waren die Schulen in Rimbach geschlossen worden. Klassenzimmer waren anderweitig belegt oder nicht benutzbar, Lehrpersonal fehlte. Erst im Oktober 1945 begann der Unterricht wieder (im Einzelnen s. Teil 4: Schulen).

Selbständige Vereine wurden bereits vor dem Krieg in die entsprechenden nationalsozialistischen Organisationen überführt. In Rimbach wurde die Freie Sport- und Sängervereinigung bereits im April 1933 aufgelöst. Nach und nach wurden auch die anderen Vereine „gleichgeschaltet“, so der Odenwaldklub im August 1933. Während des Krieges konnten nur wenige sportliche und musikalische Aktivitäten, z. B. im Jugendbereich und im „Frauenkirchenchor“, weitergeführt werden. Nach dem Kriegsende, ab 1946, waren unter der Militärregierung wieder Vereinsgründungen möglich. Die Sport- und Kulturgemeinde mit etwa 10 Abteilungen, darunter Schwerathletik und Turnen, war die erste Vereinsgründung in Rimbach.

1933 lebten noch 81 jüdische Mitbürger im Ort. Nach der Verwüstung der Synagoge und den Misshandlungen in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 verließen viele jüdische Mitbürger Rimbach und zogen in umliegende Städte. Nur wenige konnten von dort emigrieren. Von den im Jahre 1933 noch in Rimbach lebenden 81 Juden sind 23 deportiert worden. Davon sind „die meisten im Osten beim ,Arbeitseinsatz‘ oder in Vernichtungslagern umgekommen“ (Wolfgang Gebhard, Geschichte der Rimbacher Juden, Hg. Gemeinde Rimbach, Hemsbach 1987, S. 170). Die letzte jüdische Beerdigung, die von Hermann Oppenheimer, fand in Rimbach am 21. Januar 1941 statt. Mit der Familie Mayer und den Eheleuten Marx verließen am 24. September 1942 die letzten Juden Rimbach.

Viele Soldaten kamen aus dem Krieg nicht zurück. Die Namen der Kriegstoten und der Vermissten beider Kriege finden sich im Gedenkbuch für die Gefallenen des Evangelischen Kirchspiels im Archivraum der Kirchengemeinde und auf den Namenstafeln in Rimbach und seinen Ortsteilen. Am Gedenkplatz am Eingang zum Rimbacher Friedhof befinden sich Tafeln mit den Namen von 144 im Zweiten Weltkrieg Gefallenen und Vermissten und fünf Zivilpersonen sowie die Namen von 67 im Ersten Weltkrieg gebliebenen Soldaten.

Im Laufe des Krieges und besonders nach dem Kriegsende stieg die Einwohnerzahl Rimbachs durch Ausgebombte, Flüchtlinge und Vertriebene stark an. Lebten 1939 noch 2129 Menschen in Rimbach, waren es im Jahre 1946 bereits 2998. Die Anzahl der Katholiken stieg von 91 im Jahre 1939 auf 603 im Jahre 1946. Abgesehen von den römisch-katholischen und den wenigen konfessionslosen Einwohnern gehörte die ganz überwiegende Mehrzahl der Einwohner Rimbachs der evangelischen Kirche an.

Evangelische Kirchengemeinde

Bis in die NS-Zeit hinein bestand eine enge Verzahnung zwischen bürgerlicher und kirchlicher Gemeinde. Viele örtliche Honoratioren waren im Kirchenvorstand vertreten. Kirchliche Angebote stießen im Dorf auf ein breites Interesse. Entwicklungen in der Kirchengemeinde spiegeln so auch die Entwicklungen in der Gemeinde Rimbach wider.

Pfarrer Wilhelm Hörnle, der im Unterschied zu seinem Amtsvorgänger Pfarrer Walther Anthes kein Nationalsozialist, sondern Mitglied der Bekennenden Kirche war, trat im August 1935 seinen Dienst in Rimbach an. Dieser Wechsel im Pfarramt vollzog sich nicht ohne Spannungen. Die starke Ortsgruppe der Deutschen Christen versuchte zunächst noch, ihre Vorstellungen in der Kirchengemeinde durchzusetzen, was ihr aber nicht gelang. Nach einiger Zeit trat sie dort nicht mehr in Erscheinung. Stattdessen verstärkten die Ortsgruppe der NSDAP und auch Lehrer an den Schulen ihre Angriffe gegen Pfarrer, Kirchengemeinde und Christentum. Auch einige Kirchenvorsteher legten auf Druck der Partei ihr Amt nieder.

Bereits zu Kriegsbeginn 1939 wurde Pfarrer Hörnle als Soldat zur Luftwaffe eingezogen. Bis zu seiner Rückkehr zum Pfingstfest 1945 vertrat ihn Pfarrer Emil Schmidt aus Fürth, der zeitgleich in Fürth, Hammelbach und Rimbach seinen Dienst versah. 1945 wurden 81 Kinder durch Pfarrer Schmidt konfirmiert. Die Vorstellung der Konfirmanden fand am 18. März, eineinhalb Wochen vor dem Einmarsch der Amerikaner, bereits morgens um 6.00 Uhr in der Kirche statt, um so der Gefahr durch Tieffliegerangriffe zu entgehen. Auch Beerdigungen im letzten Kriegsjahr fanden, so Karl-Ludwig Schmitt, früh morgens auf dem Friedhof statt, um sich nicht der tödlichen Gefahr alliierter Tieffliegerangriffe auszusetzen. Diese Angst war am Kriegsende allgegenwärtig und beeinträchtigte auch den Gottesdienstbesuch.

Der 1884 als „Kirchengesangverein“ gegründete Kirchenchor hatte im Jubiläumsjahr 1934 stolze 245 aktive und passive Mitglieder. Mit der Einberufung des Chorleiters und späteren Bürgermeisters Adam Schmitt zur Wehrmacht im Jahr 1940 musste der Chor „ seine Tätigkeit einstellen. […] Nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft übernimmt Adam Schmitt [...] wieder die Leitung des Chores“ (Festschrift zur 100-Jahr-Feier des Evangelischen Kirchenchores Rimbach/Odenw., Karl-Ludwig Schmitt, Hg.: Evangelische Kirchengemeinde Rimbach, 1984, S. 42). Während des Zweiten Weltkriegs nahm Gretel Schmitt [Margarete Melitta Schmitt, verh. Jakob] mit einem Frauenchor die Aufgaben des Kirchenchores wahr, so bei Gedenkfeiern für Gefallene.

Johannes Haller trat 1895 seinen Dienst in der Rimbacher Volksschule an und war dort von 1929 bis zu seiner Pensionierung 1934 Schulleiter. Fünfzig Jahre lang, von 1900 bis 1950, vom Kaiserreich bis in die junge Bundesrepublik, war Rektor Haller über alle politischen Systeme hinweg als Organist der Kirchengemeinde für die Orgelmusik verantwortlich.

Frauenhilfe und Kleinkinderschule bzw. Kindergarten

Wie in vielen Gemeinden hielten auch in Rimbach die Frauen, besonders im Rahmen der Frauenhilfe, das kirchliche Leben aufrecht. Neben den stillen Werken der Nächstenliebe übernahmen sie soziale Aufgaben. Ab 1933 unterstützte die Frauenhilfe bedürftige und kranke Gemeindeglieder durch Kleidung, Nahrungsmittel und auch gekochtes Essen, das ins Haus geliefert wurde.

Die Gründung der Kleinkinderschule (Kindergarten) im Jahre 1936 geht auf die Initiative Pfarrer Wilhelm Hörnles zurück. Ihren Platz fand diese in der 1912 zum Gemeindehaus umgebauten ehemaligen Pfarrscheune in der Staatsstraße, damals „Adolf-Hitler-Straße“. Etwa 100 Kinder besuchten die von der Evangelischen Frauenhilfe der Kirchengemeinde begleitete und getragene Einrichtung. Die Kinder wurden von Schwester Helene Fabian [verh. Altendorf] und einer Helferin betreut. Die zunehmenden Eingriffe des Staates führten im Juni 1939 zum Verlust der evangelischen Trägerschaft. Bis zum Kriegsende ging der Kindergarten in die Trägerschaft der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt über.

Nach dem Ende des NS-Regimes kümmerte sich wiederum die Frauenhilfe um den Kindergarten. Im Januar 1946, noch zur Zeit der amerikanischen Besatzung, gelang es Pfarrer Hörnle und Bürgermeister Spilger, den Kindergarten wieder der Kirchengemeinde als Evangelischen Kindergarten zu unterstellen. Ab 1955 übernahmen ausgebildete „Kindergärtnerinnen“ die Arbeit. 1975 zog der Kindergarten vom Gemeindehaus in der Staatsstraße in das neu gebaute Kindergartengebäude im Ölgärtchen.

Noch heute befindet sich die Evangelische Kindertagesstätte in der Straße Am Ölgärtchen, allerdings in einem neuen, 2017 von der politischen Gemeinde Rimbach fertiggestellten Gebäude. Die Kindertagesstätte, in der inzwischen wieder bis zu 100 Kinder betreut werden können, ist heute Mitglied im Kindertagesstättenverbund im Lautertal unter der Trägerschaft der Evangelischen Kirchengemeinde Reichenbach.

Paul Kötter
Stand: 24.06.2020

4. Teil: Schulen, schulische Situation

Volksschule und Mädchenberufsschule

Die Rimbacher Volksschule, nachgewiesen seit dem 16. Jahrhundert, war ursprünglich eine kirchliche und rein evangelische Konfessionsschule in der Grafschaft Erbach. Nicht nur die Kinder aus Rimbach, sondern auch die aus den kirchlichen Filial- und Nachbarorten wie Albersbach und Zotzenbach besuchten die Schule. Den stark religiös geprägten Unterricht erteilten der Pfarrer und ein Schulmeister, der zugleich Glöckner war. Das Schulhaus wurde nahe der Kirche auf kirchlichem Gelände errichtet, was auch ein Ausdruck der geistlichen Nähe von Kirche und Schule gewesen war.

Ab dem 18. Jahrhundert bauten die Nachbarorte Rimbachs eigene Schulgebäude und übernahmen auch die Lehreranstellung. Ab 1820 entwickelte sich die Rimbacher Schule durch die Aufnahme jüdischer und katholischer Kinder zu einer Gemeinschaftsschule. Seit 1874 verpflichtete das Volksschulgesetz alle Kinder zum Schulbesuch. Für die jüdischen und katholischen Kinder wurde eigener Religionsunterricht erteilt. So waren 1922 von 406 Schülern 393 evangelischen, 11 jüdischen und nur 2 katholischen Glaubens. Die im 19. Jahrhundert festgesetzte maximale Klassengröße von 80 Schülern konnte nicht immer eingehalten werden und wurde erst 1921 auf 50 gesenkt. 1877 wurde die heutige Alte Schule in der Kirchgasse fertiggestellt. Das Gebäude wurde 1930 bis zur heutigen Höhe aufgestockt und bis zum Umzug der Volksschule in die Brunnengasse (1962) als Dorfschule genutzt.

Ab dem Schuljahr 1930/31 besuchten in Rimbach 40 bis 80 Schülerinnen eine voll ausgebaute Mädchenberufsschule mit hauswirtschaftlichem Schwerpunkt. Der Unterricht wurde in den Räumen der Höheren Bürgerschule (Realschule) auf dem heutigen Gelände der Martin-Luther-Schule erteilt. „Den Unterricht in der Mädchenberufsschule erteilten gleichfalls die Lehrkräfte der Volksschule, soweit nötig unter Hinzuziehung der technischen Lehrerinnen an benachbarten Berufsschulen“ (Jakob Getrost, Rimbacher Schulen. Beiträge zu ihrer Geschichte, herausgegeben von Bürgermeister Adam Schmitt, Rimbach im Odenwald 1960, S. 26).

Im Herbst 1944 - nach der Schließung der Albersbacher Schule wegen Lehrermangels - besuchten 354 Kinder die Rimbacher Volksschule und die hauswirtschaftliche Mädchenberufsschule. Neben dem Schulleiter Heinrich Lippert unterrichteten an beiden Schulen noch insgesamt sieben Lehrerinnen und Aushilfslehrerinnen.

1944 und im Winter 1944/45 wurde der Unterricht durch die häufigen Fliegeralarme und Luftangriffe stark beeinträchtigt. An vielen Tagen fiel er ganz aus. Das Schulgebäude hatte durch einen Luftangriff Schäden erlitten und die nicht zu ersetzenden Fensterscheiben verloren. Nur drei Lehrsäle konnten im Schichtunterricht genutzt werden.

Anfang März 1945 endete der Unterricht. Eine Abteilung der Hitlerjugend, von der Westfront nach Osten flüchtend, belegte die Schule und richtete großen Schaden an. Am 28. März beschlagnahmte die einrückende US-Armee einzelne Säle zur Einquartierung von Soldaten. 14 Tage später belegten etwa 200 auf den Abtransport in ihre Heimat wartende ausländische Zwangsarbeiter, vorwiegend Polen, die gesamte Schule. In den Wirren des Kriegsendes gingen so das gesamte Schulmobiliar sowie sämtliches, über Jahrzehnte aufgebautes Schulinventar und Schriftgut der beiden Schulen verloren. Das meiste wurde zerstört und/oder auf dem Schulhof der Oberschule verbrannt (Jakob Getrost, Rimbacher Schulen, S. 20 f.).

Über den Sommer blieb die Schule geschlossen. Erst am 17. Oktober 1945 konnte der Unterricht notdürftig wieder aufgenommen werden. Es fehlte an Mobiliar, Büchern und vor allem an Lehrkräften. Auch die Mädchenberufsschule nahm ihre Arbeit wieder auf, bevor sie mit Ende des Schuljahres 1948, damals von 55 Schülerinnen besucht, zugunsten der dann entstehenden Bezirksberufsschulen geschlossen wurde.

Höhere Bürgerschule (Oberschule) – Gymnasium

Am 11. Oktober 1887 wurde die Höhere Bürgerschule für Jungen mit 52 Schülern eröffnet. Trägerin der Schule war die Gemeinde Rimbach. Das zu entrichtende Schulgeld und die Zuschüsse des hessischen Staates konnten jedoch nicht alle Kosten decken. Den unterschiedlich hohen Fehlbetrag hatte die Gemeinde Rimbach zu übernehmen. Ab dem Schuljahr 1909/10 besuchten auch Mädchen die Schule. Von Beginn an war ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz der Schüler jüdisch. 1897 erhielt die Schule ein eigenes Schulhaus auf dem Gelände nördlich der Kirche direkt an der Kirchhofsmauer.

Die Schüler rekrutierten sich zunächst aus Rimbach und seinen Nachbarorten, während ab 1943 auch Schüler aus durch Luftangriffe gefährdeten Städten wie Mannheim, Worms und Darmstadt die Schule besuchten. Die Schülerzahl stieg dadurch auf 129. Auch die Oberschule verlor „so ziemlich alles Schulinventar und alles Schriftgut durch sinnlose Zerstörung“ (Jakob Getrost, Rimbacher Schulen, S. 54).

Mit dem Einmarsch der Amerikaner am 28. März 1945 endete auch hier der Unterricht. Im Unterschied zur Volksschule war die Zukunft der Oberschule ungewiss. In Zusammenarbeit von Gemeinde und Evangelischer Kirche in Hessen und Nassau konnte die Schule auf kirchlicher Basis fortgeführt werden. Die Kirche übernahm die Schule und die Gemeinde räumte der Landeskirche beim gemeindeeigen Schulgelände ein Vorkaufsrecht ein.

Am 10. Dezember 1945 öffnete die ehemalige Oberschule als evangelisch-landeskirchliches Realgymnasium mit gymnasialem Zug, als Martin-Luther-Schule, wieder ihre Pforten. Die Neugründung war wesentlich ein Verdienst des damaligen Rimbacher Pfarrers Wilhelm Hörnle. Die sich zum Vollgymnasium entwickelnde Schule begann ihre Arbeit mit 110 Schülern und 4 Lehrkräften. 1950 konnte die erste Reifeprüfung abgenommen werden.

Die jüdische Schule

Die Existenz einer eigenen jüdischen Elementarschule in Rimbach ist urkundlich für 1818 belegt (s. Festschrift Pfingst-Markt 1964, Rimbach/Odw., 1964, S. 63). 1929 konnte die israelitische Gemeinde die Besoldung eines Lehrers nicht mehr aufbringen und schloss die Schule in der Brunnengasse.

Die jüdischen Schüler besuchten daraufhin die öffentliche Volksschule. Nach der Reichspogromnacht, ab dem 15.11.1938, durften jüdische Kinder nur noch jüdische Schulen besuchen. Sie waren nun gezwungen zu pendeln oder die Woche über in jüdischen Familien in einer fremden Stadt zu logieren.

Am Kriegsende gab es in Rimbach keine jüdischen Mitbürger mehr. Von 81 jüdischen Menschen, die 1933 in Rimbach gelebt hatten, sind „die meisten im Osten beim ‚Arbeitseinsatz‘ oder in Vernichtungslagern umgekommen (Wolfgang Gebhard, Geschichte der Rimbacher Juden, hg. von der Gemeinde Rimbach, Hemsbach 1987, S. 170).

 

Paul Kötter
Stand: 26.08.2020